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Die nächste Finanzkrise:
Credit Default Swaps
– Subprime war nur »Vorspeise«


F. William Engdahl, 06.06.2008

 

Seit einiger Zeit schon richtet sich die Aufmerksamkeit auf die relativ winzige »Subprime«-Hypothekenausfallkrise bei Eigenheimkrediten in den USA, die im Zentrum der augenblicklichen Finanz- und Kreditkrise in der anglo-sächsischen Bankenwelt steht; aber nun tritt ein viel größeres Problem in den Vordergrund. »Zweitklassige« (subprime) bzw. hochriskante besicherte Hypothekenobligationen (Collateralized Mortgage Obligation, CMO), wie sie genannt werden, sind nur die Spitze eines enormen Eisberg zweifelhafter Kredite, die »faul« werden können. Die nächste Krise beginnt bereits auf dem 62 BILLIONEN Dollar schweren Markt der sogenannten Credit Default Swaps (CDS). Sie haben noch nie davon gehört? Dann ist es höchste Zeit, sich die Sache anzusehen.

Die nächste Phase in der Krise der »Finanzrevolution« mit Zentrum USA entsteht auf dem Markt für obskure Instrumente, wie dem der Credit Default Swaps oder CDS. Die Banker an der Wall Street brauchen immer einen abgekürzten Namen für solche Dinge.

Wie ich schon früher in meiner Exklusiv-Serie über den Finanz-Tsunami (Teile I bis V) detailliert dargelegt habe, wurde der Credit Default Swap vor einigen Jahren von der blutjungen Mathematikerin Blythe Masters, Cambridge-Absolventen und Angestellte von  in New York, erfunden. Sie hatte damals gerade erst ihr Universitätsstudium abgeschlossen, konnte aber ihre Chefs bei  überzeugen, ein revolutionär neues Risikoprodukt zu entwickeln, das bald unter dem Namen CDS bekannt wurde.

Ein Credit Default Swap ist ein Kreditderivat oder eine Vereinbarungen zwischen zwei Parteien, bei der eine Seite regelmäßige Zahlungen an die andere tätigt; diese erhält dafür das Versprechen einer Auszahlung, wenn eine dritte Partei in Zahlungsverzug gerät. Die erste Partei bekommt Kreditschutz, eine Art Versicherung, und heißt »der Käufer«. Die zweite Partei gewährt Kreditschutz und heißt »der Verkäufer«. Die dritte Partei, die bankrott gehen oder in Verzug geraten könnte, wird »Referenzeinheit« genannt. Die CDS wurden unglaublich beliebt, als die Kreditrisiken im Verlauf der letzten sieben Jahre in den Vereinigten Staaten dramatisch zunahmen. Die Banken behaupteten, mit den CDS könnten sie das Risiko weltweit streuen.

Credit Default Swaps ähneln einer Versicherungspolice, denn sie können von den Haltern als Schutz oder Versicherung gegen einen Zahlungsverzug bei Schulden genutzt werden. Da aber niemand einerseits verpflichtet ist, einen Vermögenswert als Sicherheit zu hinterlegen, oder andererseits einen Verlust zu erleiden, kann mit Credit Default Swaps auch spekuliert werden.

Warren Buffet hat die spekulativ erworbenen Derivate einmal als »finanzielle Massenvernichtungswaffen« bezeichnet. In seinem jährlichen Bericht an die Aktionäre seiner Firma sagte er: »Wenn Derivat-Kontrakte nicht besichert oder garantiert werden, hängt ihr Wert letztendlich von der Kreditwürdigkeit der Parteien ab. Einstweilen aber berichten die Parteien, bevor ein Vertrag unterzeichnet wird, Gewinne und Verluste – oft riesigen Ausmaßes – in ihrer Gewinnaufteilung, ohne dass auch nur ein Penny den Besitzer wechselt. Das Ausmaß der Derivat-Kontrakte ist lediglich durch die Fantasie des Menschen (oder manchmal, so scheint es, der Verrückten) begrenzt.« Ein normaler CDS hat eine Laufzeit von fünf Jahren.

Wie viele exotische Finanzprodukte, die so lange extrem komplex und hochprofitabel sind, wie Kredite leicht zu bekommen sind, können Kreditderivate – wie auch in diesem Fall – das Risiko nicht nur streuen, sondern auch erheblich , wenn nämlich die Märkte drehen, wie seit August 2007 der Fall.

Jetzt fällt der zweite Schuh im 62 Billionen Dollar schweren CDS-Markt, weil immer mehr Ramschanleihen von US-Firmen in Verzug geraten, weil sich die Rezession verstärkt. Dieser Markt entwickelte sich schon lange zu einer Katastrophe. Ungefähr 1,2 Billionen Dollar an offenstehenden CDS-Papieren von dem Gesamtpaket mit einem Nominalwert von 62 Billionen Dollar könnten auf der Kippe stehen. Es geht jetzt also um weit mehr als bei dem Subprime Markt.

 Eine Kettenreaktion von Ausfällen auf dem CDS-Markt könnte die nächste globale Finanzkrise auslösen. Der Markt ist völlig unreguliert und es gibt keine öffentlich einsehbaren Eintragungen darüber, ob die Verkäufer die nötigen Finanzmittel haben, um etwaige Ausfälle bei Anleihen auszugleichen. Dieses sogenannte Kontrahenten-Risiko ist eine tickende Zeitbombe. Unter ihrem ultra-großzügigen Vorsitzenden Alan Greenspan und der Finanzaufsicht der US-Regierung ließ die  zu, dass sich der CDS-Markt ohne jede Aufsicht entwickeln konnte. Mehrfach erklärte Greenspan gegenüber skeptischen Kongressabgeordneten, Banken seien bessere Risikoregulierer als Regierungsbürokraten.

Das finanzielle Rettungspaket (»bailout«) der  für am 17. März war zumindest teilweise von dem Wunsch motiviert, zu verhindern, dass die unbekannten Risiken der Credit Default Swaps dieser Wall-Street-Bank eine weltweite Kettenreaktion auslösten, die das gesamte Finanzsystem zum Einsturz hätte bringen können. Die  befürchtete, dass sie – weil sie das Kontrahenten-Risiko bei den Credit Defaults Swaps nicht ausreichend überprüft hatte – gar nicht wusste, was hätte passieren können. Danken Sie Alan Greenspan dafür.

Zu den oben genannten Parteien (mit dem »Kontrahenten-Risiko«) gehört übrigens auch , der größte Käufer und Verkäufer von CDS-Papieren.

Die  hat nur die Aufsicht über das Engagement regulierter Banken, aber nicht über das der Investmentbanken oder Hedge-Fonds, die beide in erheblichem Umfang CDS-Papiere ausgeben.

Bisher ist der Markt für Credit Default Swaps noch nicht auf die Probe gestellt worden. Die Ausfallrate betrug im Januar 2002 – damals wurde der Swap-Markt auf etwa 1,5 Billionen Dollar geschätzt – nach Angaben von 10,7 Prozent. Hingegen berichtete im Juli 2007, dass 40 Prozent des weltweit verkauften CDS-Schutzes Unternehmen oder Wertpapiere betreffe, die nicht anlagewürdig seien. 2002 hatte dieser Anteil noch bei 8 Prozent gelegen.

Wenn jetzt immer mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, dann werden Swap-Käufer versuchen, von der Gegenpartei mehrere hundert Milliarden Dollar einzutreiben. Das wird die Finanzkrise noch verschärfen, weil zahllose Streitigkeiten und Prozesse ausgelöst werden, bei denen die Käufer sich mit den Verkäufern über die technische Definition von Verzug streiten – es muss bewiesen werden, welche Besitzer von Anleihen oder Aktien nicht bezahlt worden sind – und über die Höhe der ausstehenden Forderungen. Einige Experten befürchten, dass dies seinerseits das Finanzsystem zum Stillstand bringen könnte.

Experten auf dem CDS-Markt glauben mittlerweile, die Krise werde wahrscheinlich damit beginnen, dass Hedge-icht in der Lage sind, ihren Zahlungsverpflichtungen für Verträge in Höhe von mindestens 150 Milliarden Dollar gegenüber den Banken nachzukommen. Die Banken werden versuchen, diesem Verzugs-Desaster zuvorzukommen und die Hegde-Fonds auffordern, ihre Sicherheiten für mögliche Verluste zu erhöhen. Das wird aber kaum klappen, weil viele Fonds einfach das Geld nicht haben, um diese Forderung der Banken erfüllen zu können.

Verkäufer von Absicherungen sind nicht gesetzlich verpflichtet, auf dem CDS-Markt Reserven anzulegen. Die Banken fordern zwar die Verkäufer von Absicherungen auf, beim Abschluss ihrer Geschäfte eine bestimmte Summe zu hinterlegen, aber dafür gibt es keinen Branchenstandard. Es wäre etwa so, als wenn eine anerkannte Versicherungsgesellschaft Versicherungsschutz gegen Hurrikan-Schäden verkaufte, ohne über die nötigen Sicherheiten zur Erfüllung etwaiger Ansprüche im Ernstfall zu verfügen.

 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, die Aufsichtsorganisation der großen Zentralbanken der Welt, zeigt sich über die Gefahren höchst besorgt. Das des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, eine internationale Gruppe von Bank-, Versicherungs- und Wertpapier-Regulierern, schrieb bereits im April, dass die von den Hedge-Fonds gehandelten billionenschweren Swaps eine Bedrohung für die Finanzmärkte in aller Welt darstellen.

»Es ist schwierig, ein klares Bild darüber zu bekommen, welche Institution letztendlich einige der übertragenen Bankrisiken halten«, hieß es in diesem Bericht. »Es kann sogar schwer sein, den Betrag des übertragenen Risikos genau zu beziffern.«

Das Kontrahenten-Risiko kann über Nacht sehr kompliziert werden. Bei einem typischen CDS-Geschäft verkauft ein Hedge -Fonds einer Bank eine Absicherung, die dieselbe dann an eine andere Bank weiter verkauft. Dies Geschäft setzt sich weiter fort und läuft manchmal sogar im Kreis. Dadurch entsteht eine gewaltige Risikokonzentration. Ein führender Derivathändler beschrieb diesen Prozess so: »Das Risiko dreht sich weiter und weiter in dieser Verkettung, wie ein Strudel. In der Mitte davon sitzen nur 6 bis 10 Händler. Ich glaube kaum, dass die Aufsichtsbehörden über die nötigen Informationen verfügen, um das alles herauszufinden.«

Händler und selbst die Banken, die als Händler fungieren, wissen nicht immer genau, was ein Credit-Default-Swap-Vertrag alles umfasst. Es gibt viele Arten von CDS-Verträgen, einige weit komplizierter als andere. Über die Hälfte aller CDS-Verträge Geschäftsindices und Schuldsicherheiten ab, wie etwa anlagegestützte Wertpapiere, so der Baseler Ausschuss. Der Rest umfasst Absicherungen einer einzelnen Schuld eines Unternehmens oder besicherte Schuldobligationen …

Banken senden normalerweise den ganzen Tag lang Angebote und deren Preise per E-Mail an Hedge-Fonds, Versicherungsfirmen und andere institutionelle Anleger, denn es gibt keine regulierte Börse zur Abwicklung dieses Marktes und zur Versicherung gegen Verluste. Um beispielsweise den Preis für einen Swap über Schulden der . zu ermitteln, müssten selbst gewiefte Investoren womöglich den ganzen Tag lang ihre E-Mails durchsuchen.

Banken haben ein rechtmäßiges Interesse, den Swap-Markt undurchschaubar zu halten, denn als Händler führen die Banken eine große Zahl Transaktionen durch, was ihnen gegenüber anderen Käufern und Verkäufern einen Vorteil verschafft. Da die Kunden normalerweise nicht wissen, wo der Markt ist, kann man ihnen viel höhere Profitmargen aufhalsen.

Banken versuchen, die Absicherungen, die sie verkauft haben, durch Credit Default Swaps auszugleichen, die sie von anderen kaufen – und zwar entweder auf dasselbe Unternehmen oder auf einen Index. Sie können auch synthetische CDS-Verträge schaffen, d.h. Pakete von Credit Default Swaps, die die Banken an Investoren verkaufen, um sich selbst eine Absicherung zu verschaffen.

Die Banken wollen bei jeder Transaktion ein Geschäft machen und versuchen das Risiko des Swaps abzuwälzen. Wie ein CDS-Händler sagte: »Händler sind einfach wie Buchmacher. Buchmacher wollen nicht auf Spiele setzen. Buchmacher wollen nur ihre Bücher ausgleichen. Deshalb nennt man sie auch Buchmacher.«

Jetzt, wo die Wirtschaft schrumpft und die Bankrotte sich in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern mehren, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu kommen, dass sich viele Käufer von Swap-Absicherungen an die Gerichte wenden, weil sie ihr Geld ausgezahlt bekommen wollen. Wenn alles um sie her zusammenbricht, dann werden die Menschen jeden nur möglichen Trick versuchen.

Letztes Jahr richtete die , die Warenterminbörse in Chicago, einen öffentlich regulierten, börsengestützten Markt für den CDS-Handel ein. Bis jetzt hat das aber nicht funktioniert, da dieser Markt von den Banken boykottiert wird, die ihre Geschäfte lieber weiterhin privat abwickeln wollen.

© Copyright beim Kopp Verlag, Rottenburg

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